Den Krankenhäusern in Deutschland geht es schlecht. Jede dritte Klinik hat 2017 rote Zahlen geschrieben, berichtet die deutsche Krankenhausgesellschaft DKG und ein Ende der finanziellen Bedrängnis ist nicht abzusehen. Nach einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung ist eine Radikalkur angesagt: „Von derzeit fast 1.400 Einrichtungen soll weniger als die Hälfte übrigbleiben“, erläutert Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de die provokante Forderung. „Argumentiert wird von den Kritikern der aktuellen Situation, dass zwar die gewachsene räumliche Nähe gesichert sei, nicht aber die optimale Versorgung durch erfahrenes Personal.“ Wie der Kassenexperte ausführt sei das keine Einzelmeinung. Adolph: „Dringenden Handlungsbedarf bei der Krankenhausfinanzierung sehen auch der Leiter von Handelsblatt Research Bert Rürup und der Professor für Management im Gesundheitswesen Reinhard Busse, der auch an der Studie beteiligt war.“ Als Therapie wird vorgeschlagen, „die Finanzierung allein den Krankenkassen zu übertragen. Nur so ließe sich die Anzahl der Klinikstandorte optimieren.“ Wie Rürup weiter ausführt, sei dem Politiker Spahn „natürlich klar, dass damit der Einfluss der Länder verringert würde und nicht zuletzt auch der der Bürgermeister und Landräte.“ Trotzdem sei das wirtschaftlich und versorgungspolitisch das einzig Sinnvolle.
Im Überlebenskampf ist jedes Mittel recht
Duale Finanzierung der Kliniken in der Kritik
Um die aktuelle Diskussion zu verstehen, muss man etwas tiefer schürfen. Seit 1972 sind die Bundesländer für die Krankenhausbedarfsplanung und die Investitionen zuständig, die laufenden Betriebskosten finanzieren die Krankenkassen. Wie Kassenexperte Adolph erklärt, erfolgt das Letztere seit 2004 über Fallpauschalen. Und damit sind oft nicht die vollen Behandlungskosten schon beglichen. Rürup zufolge „sahen und sehen sich viele Klinken gezwungen, mit möglichst vielen Operationen und Einschnitten beim Pflege- und Hygienepersonal halbwegs rentabel zu bleiben.“ Die jetzt vorgelegte Studie beschäftigt sich daher vornehmlich mit der Schattenseite dieser Zwangslage.
Kernaussagen der Studie
Zu viele Kliniken überfordern den Personalbestand
Die wichtigsten Aussagen sind: Die Überkapazitäten verschärfen den Fachkräftemangel: Es gibt zu wenig medizinisches Personal, um die heutige Klinikanzahl aufrechtzuerhalten. „Das betrifft nicht nur die Pfleger, sondern auch die Präsenz von erfahrenen Fachärzten“, erklärt Kassenexperte Adolph. Wer rund um die Uhr schnelle kompetente Hilfe anbieten wolle, stoße schnell an unüberbrückbare Grenzen. So habe der Management-Professor Busse vorgerechnet, dass alle Neurologen und Kardiologen jeweils nur für rund 600 Krankenhäuser „reichen“. Wie er in der Ärztezeitung zum Thema Schlaganfall und Herzinfarkt ausführte „kann die Therapie kann also nicht lauten, jetzt noch die jeweils anderen rund 800 Krankenhäuser mit Schlaganfall- und Herzkathetereinheiten auszustatten." Damit ist auch der zweite Angriffspunkt der Bertelsmann-Studie benannt: Viele Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet: Fast zwei Drittel aller Kliniken haben keine Koronarangiografie, ein Drittel hat keinen Computertomographen. Erschwerend kommt dazu, dass auch die Fallzahlen für eine qualitativ hochwertige Behandlung maßgeblich sind. Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten haben genügend Erfahrung für eine sichere Behandlung.
Weiterführende Links
- Krankenhausbarometer 2018 der DKG
- Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 15. Juli 2019
- Studie der Bertelsmann Stiftung vom 15. Juli 2019
- Umsetzungsszenario der Bertelsmann Stiftung vom 15. Juli 2019
- Beitrag von Bert Rürup im Handelsblatt vom 19. Februar 2019
- Beitrag „Zentren wären die Lösung“ in der Ärztezeitung vom 23. März 2018