Der fünfte Ergänzungsband des Bundesrechnungshofs befasst sich mit einem heiklen Thema: Die Kostenabrechnung der Krankenhäuser mit den gesetzlichen Kassen. Die Kostendetektive sehen Verbesserungsbedarf. „Das ist allein schon deshalb naheliegend, weil die Ausgaben für die stationäre Krankenhausbehandlung der größte Kostenblock der Leistungen sind“, sagt Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de. „So gaben die Kassen 2017 knapp 75 Milliarden Euro für die stationäre Behandlung in Krankenhäusern aus.“ In der Praxis hatte es eine Abwägung gegeben, aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf die teure Überprüfung von relevanten Einzelfällen zu verzichten, wenn die Krankenhäuser im Gegenzug die Behandlungskosten rabattieren. Wie „das deutsche Ärzteblatt“ berichtet, war das bei Prüfkosten von 800 Millionen Euro (2016) gegenüber sich dadurch ergebenden Rückforderungen von 2,2 Milliarden Euro noch vertretbar. Bisher wurde das von den Aufsichtsbehörden zwar geduldet, die Rechtsgrundlage allerdings war umstritten. Denn eigentlich sind Krankenkassen gesetzlich zur Kostenkontrolle verpflichtet. Wie Kassenexperte Adolph erklärt, dient dazu eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Diese sei aber nur einzuholen, wenn Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder der Krankheitsverlauf das erfordern. Eine stringente Umsetzung des Prüfauftrags wurde bisher nicht eingefordert worden, weil sich die Aufsichtsbehörden nicht darauf einigen konnten. „Bundesweit aktive Kassen werden vom Bundesversicherungsamt kontrolliert, regional tätige von den Gesundheitsministerien der Länder“, erläutert Adolph.
Vorn gespart, hinten erhöht
Nominale Rabatte gehen bis 100 Prozent
Wie der Bundesrechnungshof moniert, waren die pauschalen Kostenkürzungen beträchtlich. Bei den geprüften Anbietern lagen sie zwischen einem und 50 Prozent. Mit einem Krankenhaus gab es sogar Einsparungen von 100 Prozent. Die Kasse durfte die 1. bis 285. Abrechnung um 22 Prozent reduzieren, die 286. bis 350. Abrechnung um 50 % und ab der 351. Abrechnung war die Behandlung gratis. Die Rabattschlacht im Gegenzug zum Verzicht auf Leistungsüberprüfungen kam nicht nur im Einzelfall zum Einsatz. Laut Ergänzungsbericht 05 war ein Anbieter 2016 mit 127 Krankenhäusern solche Stillhalte-Vereinbarungen eingegangen und hatte dadurch 12,6 Millionen Euro an Leistungsausgaben eingespart. Allerdings steht ein Teil der Einsparung nur auf dem Papier. Im Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags beanstanden die Zahlendetektive, dass die Krankenhäuser „im Wettbewerb untereinander bestehende Anreize für erlösorientiertes Abrechnen konsequent ausnutzen“. Laut „Ärzteblatt“ sind somit Kliniken und Kassen in einer Eskalationsspirale gefangen. „Die einen, weil sie mit Preisaufschlägen arbeiten müssen, um sie rabattieren zu können, die anderen, weil sie immer höhere Nachlässe vereinbaren müssen, um Kostensteigerungen abzufedern“, macht Thomas Adolph das Dilemma deutlich. Dass sich daraus Schlagzeilen ergeben ist für den Kassenexperten zwangsläufig, trifft das Thema aber nur oberflächlich. Als Randnotiz sei ein Blick auf die US-Gesundheitskosten nutzvoll. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, hatte der Chef des Pharmakonzerns Lily ein ähnliches Prozedere zugegeben. Er sei gezwungen, hohe Listenpreise festzusetzen, um hohe Rabatte zu ermöglichen – die dann zu weniger Zuzahlungspflicht führen, sagte Kenneth Frazier. US-Patienten zahlen in der Regel doppelt so viel für ein rezeptpflichtiges Medikament
Hohe Fehlerquote bei der Überprüfung
Krankenhäuser kalkulieren die Rabatte ein
Jetzt wird sich einiges ändern. Der Rechnungshof macht Druck. Aus seiner Sicht ist jede zweite geprüfte Abrechnung für die klinische Behandlung der jährlich rund 20 Millionen Patienten fehlerhaft. Das berichtet die „Welt" unter Berufung auf einen Bericht an die Bundesregierung. Es gebe „wesentliche strukturelle Mängel" bei der Abrechnung zwischen Kliniken und Kassen. So würden insgesamt nur 13 Prozent aller Abrechnungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft. Und in dieser Stichprobe sei jede zweite Rechnung fehlerhaft gewesen. Die genauere Spezifikation der Fehler fehlt jedoch im Bericht. Das Bundesgesundheitsministerium legt nun einen Referentenentwurf für ein neues MDK-Prüfgesetz vor. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kontert, dass man die Fakten auf den Kopf stelle. Es werde nicht generell bei den Rechnungen geschummelt. Dagegen bringe bereits die heutige Praxis der Kassen sie in Zugzwang. „Wenn auf einem MDK- Gutachten beruhende und somit lediglich behauptete Erstattungsansprüche einfach aufgerechnet werden, entziehen sie in erheblichem Umfang – teilweise sogar existenzbedrohend – Liquidität. Die Krankenhäuser befinden sich in einer komplett asymmetrischen Benachteiligungslage. Gegen die Verrechnung können sie sich nur mit langjährigen Gerichtsverfahren wehren. Der anhaltende Liquiditätsverlust zwingt sie zum außergerichtlichen Nachgeben.“
Artikel im Ärzteblatt Eskalationsspirale bei Abrechnungsprüfungen vom 31. Mai 2019 (Quelle: www.aerzteblatt.de)
Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Amerikas verrückte Gesundheitskosten vom 7. Juni 2019 (Quelle: www.faz.net)
Artikel in der Welt Teure Falschabrechnungen an die Kassen vom 21. Mai 2019 (Quelle: www.welt.de)
Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum DKG-Prüfungsgesetz vom 4. Juni 2019 (Quelle: www.bundesgesundheitsministerium.de)
Stellungnahme der Deutschen Krankenversicherung (Quelle: www.dkgev.de)