Die schweizerische Krankenversicherung wird ausschließlich von den Versicherten finanziert. Es gibt also keine Arbeitgeberbeteiligung. Die Kopfprämien sind für alle erwachsenen Versicherten innerhalb einer Kasse und eines Kantons gleich. „Letzteres ergibt sich aus der Krankenhaus-Finanzierung, die zu einem Teil durch Behandlungsgebühren und zum anderen Teil durch Zuschüsse des Kantons und der Gemeinden erfolgen“, erläutert Thomas Adolph vom führenden deutschen Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de. „Rabatte gibt es nur durch höhere Selbstbehalte, hier „Franchise“ genannt – ansonsten nur für Kinder und junge Erwachsenen bis zum Alter 25 Jahre.“ Zudem sind die Kopfprämien unabhängig von Alter, Geschlecht und individuellem Krankheitsrisiko, aber auch völlig unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Schweizer Bürger. „Durch die Kopfprämien wird nur zwischen Gesunden und Kranken, zwischen Jungen und Alten sowie zwischen Männern und Frauen umverteilt, nicht jedoch zwischen einkommensstärkeren und einkommensschwächeren Personen“, weist Adolph auf einen weiteren wichtigen Unterschied zum deutschen System hin.
Auf die Finanzierungsträger umgerechnet, tragen die Privathaushalte gut zwei Drittel aller Gesundheitsausgaben. Wie das Autorenteam Thomas Gerlinger und Renate Reiter im Dossier Gesundheitspolitik der Bundeszentrale für politische Bildung schreiben, entfallen auf sie die Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung (OKPV) sowie die Direktzahlungen in der medizinischen Versorgung und die Beiträge für die Zusatzversicherung. Die Preise ärztlicher Behandlungen sind strikt reglementiert und unterliegen in der ganzen Schweiz einem Tarifwerk, das jeder medizinischen Leistung sogenannte Taxpunkte zuordnet. Allerdings gibt es auch bei der Bewertung dieser Punkte je nach Kanton Unterschiede. Wesentlich billiger wird es dadurch aber nicht. Daher ist, wie Anna Sax in einer ausführlichen Studie zum Schweizer Gesundheitssystems schreibt, mittlerweile jeder Dritte auf Ermäßigungen der Prämien angewiesen, welche Kantone und Bund einkommensschwache Personen subventionieren.
Die Finanzierung des Gesundheitswesens in der Schweiz (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung)
Früherer Modell-Charakter in Frage gestellt
Kostenkontrolle und Risikoausgleich
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends liebäugelten die von Gesundheitsministerin Ulla Schmid ins Leben gerufene Sozial-Kommission unter Leitung des Wirtschaftsweisen Bernd Rürup mit dem Schweizer Modell. „Damals waren die Neuerungen des 1996 in der Schweiz eingeführten Krankenversicherungsgesetz noch neu und ohne Praxistest“, berichtet Adolph. „Die Begeisterung hat sich relativ schnell gelegt.“
Schon sieben Jahre nach der Einführung berichtete das deutsche Ärzteblatt von den Rückschlägen für die Schweizer. Unter dem Titel Vorbild mit Selbstzweifeln machte Jens Flintrop deutlich, dass es zu keinen nennenswerten Einsparungen durch Hausarztmodelle und Health-Maintenance-Organizations (HMOs) – also Modellen mit eingeschränkter Arzt-Auswahl – gekommen sei. „Zumindest eine Zeitersparnis bietet für chronisch Kranke das zusätzlich eingeführte TelMed-Modell, bei dem sich verpflichten, telefonisch eine medizinische Auskunft einzuholen, bevor Sie einen Arzt aufsuchen“, ergänzt der deutsche Kassenexperte. Hintergrund sei der heftige Streit hinter den Kulissen um die Vertragsfreiheit, über den die Neue Züricher Zeitung ausführlich berichtete. Die Arztkosten und Fehlallokation der Arztpraxen sei in der Schweiz ebenso ein Problem wie in Deutschland.
Bericht des Deutschen Ärzteblatts zur Sozial-Kommission (Quelle: aerzteblatt.de)
Schweizer Gesundheitswesen: Vorbild mit Selbstzweifeln (Quelle: aerzteblatt.de)
Die freie Arztwahl im Visier (Quelle: nzz.ch)