Seit Ende Oktober ist es amtlich: Der normale Zusatzbeitrag in den gesetzlichen Krankenkassen sinkt um 0,1 Prozentpunkte. Damit hat sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe über die Bedenken einiger Krankenkassen hinweggesetzt, die eine Wettbewerbsverzerrung befürchtet hatten. „Hintergrund der Vorbehalte ist, dass jede Kasse einen individuellen Zusatzbeitrag erhebt, der zu ihren Ausgaben passen muss“, sagt Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de.
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet hatte, war sich der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) uneins bei der Prognose der Ausgaben der GKV für 2018. Während die Experten der Krankenkassen höhere Ausgaben veranschlagten, gehen die Fachleute vom Bundesversicherungsamt (BVA) und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) von geringeren Kosten aus. Gröhe hat sich jetzt den Optimisten angeschlossen: „Dass die Krankenkassen gute Spielräume für hochwertige Leistungen bei attraktiven Beiträgen haben, ist eine gute Nachricht für alle gesetzlich Versicherten“, ließ er per Presseerklärung verlautbaren.
Presseerklärung des Bundesgesundheitsministeriums (Quelle: bundesgesundheitsministerium.de)
Schätzerkreis streitet über Krankenkassenbeiträge (Quelle: aerzteblatt.de)
Gute Konjunktur sorgt für hohe Einnahmen
Finanzreserven bleiben unberücksichtigt
Innerhalb des Schätzerkreises erwarten BMG und BVA im laufenden Jahr 2017 Ausgaben in Höhe von 226,4 Milliarden Euro und 236,2 Milliarden für 2018. Wie der Kassenexperte dagegenhält, hätten allerdings die Kassen jeweils eine Milliarde mehr Kosten veranschlagt. Adolph: „Die im Schätzerkreis genannten Zahlen waren 227,2 in 2017 und 237,3 Milliarden Euro in 2018.“ Er gibt zudem zu bedenken, dass die unterschiedlich dotierten Finanzreserven der einzelnen Krankenkassen in die Rechnungen nicht einfließen. Diese aber bilden den Puffer, um im Wettbewerb über den Zusatzbeitrag eine gute Figur zu machen.
Dafür sorgt das Gefüge der Kassen-Beiträge, die nicht direkt an die Anbieter fließen sondern über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) Unterschiede in der Versichertenstruktur zwischen den Krankenkassen ausgleichen sollen.
Gutachter fordern mehr Kriterien beim Morbi-RSA (Quelle: www.gesetzlichekrankenkassen.de)
Spannende Haushaltsplanungen bei großen und kleinen Kassen
Der Wettbewerb wird härter
Adolph: „Seit 2015 zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig einen festen Beitragssatz von zusammen 14,6 Prozent. Den Zusatzbeitrag von derzeit im Schnitt 1,1 Prozent bezahlen die Arbeitnehmer alleine.“ Dieser Satz sinkt jetzt im Durchschnitt, der Finanzbedarf von einzelnen Kassen kann aber deutlich davon abweichen. Dies liegt einerseits an den unterschiedlichen regionalen Kosten, aber auch in gewissem Rahmen an einem etwas anderen Leistungsspektrum oder speziellen Zusatzprogrammen. Während finanzstarke Kassen mehr Spielraum haben, den Zusatzbedarf zu minimieren, sind finanzschwache Anbieter schneller gezwungen einen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eher höheren Zusatzbeitrag einzufordern. „Man darf also auf die Haushaltsplanungen und Entscheidungen zum individuellen Beitragssatz der Krankenkassen gespannt sein, die in den nächsten Wochen anstehen“, sagt der Krankenkassenexperte Adolph.
Informationen zum GKV-Schätzerkreis
Der Schätzerkreis nach § 220 SGB V hat die Aufgabe, auf der Basis der amtlichen Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherung, die Entwicklung der Einnahmen, Ausgaben sowie der Zahl der Versicherten und Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung des laufenden Jahres zu bewerten und auf dieser Grundlage eine Prognose über die weitere Entwicklung im jeweiligen Folgejahr zu treffen. Nach Auswertung der Ergebnisse dieser Schätzung wird der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz nach § 242a SGB V für das Folgejahr vom Bundesministerium für Gesundheit festgelegt und jeweils bis zum 1. November eines Kalenderjahres bekannt gemacht. Dem Schätzerkreis gehören Fachleute des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesversicherungsamtes sowie des GKV-Spitzenverbandes an. Den Vorsitz hat das Bundesversicherungsamt.