Weltweit höchste Gesundheitskosten
Trotzdem mäßiger Gesundheitsstandard
In den zurückliegenden Jahren bezahlte die amerikanische Bevölkerung mehr für ihre Gesundheit als die Einwohner anderer Länder“, konstatiert Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de. Mit 16,9 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) gaben US-Amerikaner 2015 – neuere statistische Daten weist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) noch nicht aus – fast ein Drittel mehr aus als die Schweizer, Japaner, Schweden und Deutschen. Die anderen Top-5-Nationen beim Kostenaufwand, lagen 2015 zwischen 11,5 und 11,1 Prozent. Der Gesundheitsmarkt-Experte betont aber, dass die in diesem Bereich bereits realisierte America-first-Positionierung weder zu größerem Leistungsumfang noch zu einem im Schnitt besseren Gesundheitsstatus geführt habe. Adolph: „Gemessen am Aufwand sind in den USA die durchschnittliche Lebenserwartung oder die Kindersterblichkeit – um nur zwei Kennzahlen herauszugreifen – im internationalen Vergleich alles andere als twitterfähige Erfolgsmeldungen“.
Online-Statistik der OECD (Quelle: stats.oecd.org)
Nur die gröbsten Auswüchse sind therapierbar
Obamacare und Trumpcare greifen zu kurz
An der Diskrepanz von Aufwand und Kosten wird sich auch unter Trump so schnell nichts ändern lassen. Dazu fehlen Strukturen und Regelungskreise, die sich im deutschen System über lange Jahre herausgebildet haben. „Auch bei uns gibt es Verbesserungspotential“, schränkt Thomas Adolph sein positives Gesamturteil etwas ein. „Das deutsche Krankenkassenwesen wird aber – auch ohne Bürgerversicherung – mit dem Morbiditätsausgleich und anderen demografischen Herausforderungen wesentlich besser fertig werden.“
Grundsätzlich gebe es überall, also auch in Deutschland, ein Problem, wenn sich Nachfrage und Angebot nicht elastisch einpendeln können. Beispiel Privatversicherung: Hier lassen sich, wie Adolph sagt, Bedarf, Leistungsumfang und Preis für die individuelle Police nicht trennen: „Nur die individuelle Belastung wird durch das Versicherten-Kollektiv stark gedämpft, weil sich längst nicht jedes Erkrankungsrisiko aktualisiert“, erklärt er. „Die anfallenden Kosten werden also auf viele Schultern verteilt. Je vielfältiger und durchmischter die Versichertengemeinschaft ist, desto „gesünder“ kann ein Privatversicherer kalkulieren.“
Im deutschen gesetzlichen Krankenkassen-System nivelliert der speziell dafür eingerichtete Risikostrukturausgleich (RSA) sogar noch die Zusammensetzung der aktuell 113 Anbieter (Stand Mai 2017).
In diesem Zusammenhang ist auch der privatwirtschaftliche Ausschluss von Vorerkrankungen zu sehen. „Wenn es bei jemand bereits brennt, kann dieser sich nicht mehr gegen Brandschäden versichern. Das geht nur, solange es einmal brennen könnte“, sagt der Experte. Entsprechend werden in privaten Policen bestimmte Vor-Erkrankungen ganz ausgeschlossen oder nur teilweise und mit deutlichen Risikoaufschlägen abgedeckt. „Versicherten-Kollektive dienen primär keinem Wohltätigkeitsziel sondern einen finanzmathematisch kalkulierbaren Risikoausgleich innerhalb einer großen Gruppe, sagt er. Wie der Krankenkassen-Experte ausführt macht es daher wenig Sinn, die von Obama eingeführte Versicherungspflicht mit Kontrahierungszwang unter dem Gegensatzpaar „arm und reich“ zu betrachten. „Die Kosten im Gesundheitssektor sind nicht in erster Linie einkommensabhängig, wenn man grobe Aussetzer wie Ausbeutung, Verwahrlosung und Unterernährung ausblendet“, sagt Adolph. „Der individuelle Kassenbeitrag hängt vielmehr von der Zusammensetzung des Versicherten-Kollektivs ab.“
Kein Kontraktionszwang in der deutschen PKV (Quelle: www.pkv.de)
Versicherungsaufsichtsgesetz § 146 Substitutive Krankenversicherung
Versicherungen ziehen sich aus Obamacare zurück
Verordneter Ausgleich funktioniert nicht
Einer der wichtigsten Vorteile des deutschen Krankenkassen-Systems ist, dass der Großteil der Bevölkerung keine Angst vor früheren Erkrankungen haben muss, erklärt Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de. Das sei in den USA bis vor kurzem ganz anders gewesen. Erst durch den Affordable Care Act (ACA = Obamacare) gilt seit 2010 für Kinder, seit 2014 auch für Erwachsene ein Kontrahierungszwang. Krankenversicherungen dürfen Patienten mit Vorerkrankungen (pre-existing conditions) nicht mehr ablehnen. Das gilt für die gesetzlichen Krankenkassen – als dominanter Leistungserbringer in Deutschland (für mehr als 90% der Bevölkerung) – seit jeher. „Sie dürfen keinen Mitgliedsantrag aufgrund von Vorerkrankungen ablehnen. Der Leistungskatalog ist zu über 95 Prozent verbindlich gleich. Es gibt auch bei keiner Kasse für ein und denselben Leistungsumfang unterschiedliche Beiträge“, erklärt Adolph. Der Risikostrukturausgleich (RSE) sorge weitgehend für einen zumindest ansatzweise gerechten Ausgleich.
Privatwirtschaftlich organisierter Flopp
Negative Risiko-Selektion vorgegeben
In den USA sind seit 2014 alle Bundesstaaten verpflichtet Health Insurance Exchanges einzurichten, eine Art Krankenversicherungsbörse mit subventionierten Policen, die es in mit vier standardisierten Leistungskatalogen gibt. Der Umfang ist von „Bronze“, „Silber“, „Gold“ bis „Platin“ gestaffelt, trotzdem dürfen sich die Prämien nur am Durchschnittsrisiko des Tarifs orientieren. Das führte zu einer negativen Risikoselektion, vor der Experten bereits im Vorfeld gewarnt hatten berichtet Adolph. „So hatte das Otto-Wolf-Institut für Wirtschaftsordnung bereits 2013 vorgerechnet, dass Personen mit geringem Kostenrisiko keinen umfangreichen Schutz wollen, der hohe Risiken entsprechend stark subventioniert. In den strömen dagegen Personen mit schweren Vorerkrankungen, weil für sie das Durchschnittssatz-Gebot die Prämien deutlich nach unten dimmt“.
Etliche große Versicherungsgesellschaften ziehen sich mittlerweile bereits aus dem subventionierten Obamacare und den Exchanges zurück, weil im Schnitt die neuen Mitglieder in schlechterem Gesundheitszustand sind als geplant. „So ergibt sich die unangenehme Situation, dass der Klientenstamm kränker wird und der Risikoausgleich – junge Gesunde subventionieren alte Kranke – schlechter funktioniert als gedacht“, berichtet der Korrespondent der FAZ, Winand von Petersdorff-Campen aus Washington. Unternehmen wie die Aussteiger Aetna, United Health oder Humana spielen aber eine zentrale Rolle für Obamacare: Sie müssen die Versicherungspläne bereitstellen, die US-Bürger auf regionalen Online-Marktplätzen kaufen können.
Krankenversicherungen in den Vereinigten Staaten (Quelle: www.faz.net)
Krankenkassen in den USA und in Deutschland - Unterschiede und Gemeinsamkeiten (Teil 1)
Krankenkassen in den USA und in Deutschland - Unterschiede und Gemeinsamkeiten (Teil3)