Insider decken die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen nach dem dritten Quartal auf. Bundesgesundheitsministerium hält sich bedeckt und will die Zahlen erst später kommentieren.
Es ist ein Skandal, nicht, dass die Finanzergebnisse der Gesetzlichen Krankenkassen eine Tageszeitung publik machte, sondern dass die Öffentlichkeit diese Zahlen nicht vom zuständigen Bundesgesundheitsministerium erfahren hat. „Schließlich sind es die Beiträge und Behandlungskosten der Mitglieder und die Effizienz der Kassenverwalter, die sich in den Zahlen ausdrücken und keine politische Manövriermasse“, sagt Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de . „In einem Vorwahl-Jahr muss man immer befürchten, dass viel Geld in der Kasse zu Begehrlichkeiten der Parteien führen könnte.“ Das lehre die Vergangenheit, in der immer wieder versicherungsfremde Leistungen aus diesem Säckel finanziert wurden. „Eine solide Finanzierung ist wichtig, um für die Zukunft gerüstet zu sein“, sagt Adolph. „Es ist gut, wenn die Kassen nicht von der Hand in den Mund leben müssen, sondern sich plausible Spielräume sichern.“
Die Zahlen sind ermutigend
Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 24. November berichtete, hat sich die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung im Sommer nochmals verbessert. Ende September wiesen die 117 gesetzlichen Kassen einen Überschuss von knapp 1,5 Milliarden Euro aus, berichtete das Blatt unter Berufung auf Daten der Krankenkassen. Demnach habe sich ihr Überschuss von 600 Millionen Euro aus dem ersten Halbjahr im dritten Quartal mehr als verdoppelt.
Überschuss der Krankenkassen aktuell bei 1,5 Milliarden Euro (Quelle FAZ)Das Bundesgesundheitsministerium meldet als offizielle Zahlen zum Ende des zweiten Quartals:
Offizielle Zahlen (Quelle Bundesgesundheitsministerium)Mit 757 Millionen Euro weisen die Ersatzkassen den höchsten Überschuss aus. Die Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) folgen mit 558 Millionen Euro. Die Knappschaft nannte ein Plus von 124 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen erwarteten ein leicht positives Ergebnis. Nur die Innungskassen rutschen leicht ins Defizit. Als Grund für die positive Entwicklung wurden der FAZ die verhaltene Entwicklung der Ausgaben genannt. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, warnte davor, von der guten Lage auf die Zukunft zu schließen: „Wir stellen uns auf starke Ausgabenschübe im nächsten Jahr ein, erst dann werden die vielen kostspieligen Reformen auf die Bücher schlagen.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nennt die Zahlen zum Ende des dritten Quartals:
Überschuss der Krankenkassen aktuell bei 1,5 Milliarden Euro (Quelle FAZ)
Rücklagen wecken Begehrlichkeiten
Die Lobby der Hausärzte verlangt mehr Geld
Kaum waren die Zahlen auf dem Tisch, meldeten schon die ersten Interessenten Bedarf an. Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) machte den Anfang und forderte mehr Geld für eine bessere Versorgung. „Erst klagen die Krankenkassen klagen über ihre angeblich so angespannte Finanzsituation und drohen mit steigenden Zusatzbeiträgen für ihre Versicherten, um kurze Zeit später enorme Überschüsse zu vermelden“, schimpfte der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt. Weitere Branchenverbände werden folgen und wie die Politik vorschlagen, das „überflüssige“ Geld mit breiten Händen unters Volk streuen.
„Überflüssig ist ein schönes Wort“, sagt Thomas Adolph. „Aber ein guter Kaufmann plant ein Liquiditätspolster ein, statt am Rand der Insolvenz zu segeln“. Und nichts anderes sei es, wenn man nicht wenigstens ein wenig zu sehr „flüssig“ sei. Es gebe wichtige Zukunftsaufgaben in der Kassen, denn das Gesundheitswesen werde nicht rechtzeitig und nicht vorausblickend auf die Folgen des demografischen Wandels vorbereitet.
Doch daran dürfte sich so schnell nichts ändern, die Aussagen des 90jährige Fritz Beske in seiner Abschiedsrede vom Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel sind nach wie vor aktuell. „Was habe ich gewollt?“ fragte der engagierte Gesundheitswissenschaftler. „Dass sich die Gesellschaft auf eine vorhersehbare Zukunft vorbereitet. Was habe ich erreicht? Mir war nicht vergönnt, dass eine ausreichende Zahl von Politikern als Staatsmänner über Generationen vorausdenkt.“ Es werde aber in Deutschland immer möglich sein, das Notwendige zu leisten. Und daran tragen die gesetzlichen Krankenkassen bisher wie immer die Hauptlast und die Hauptverantwortung.
Fritz Beske sah bereits 2013 die kurzfristige Bedarfsplanung als Kernübel der Gesundheitspolitik an:
Fritz Beske: Mahnungen zum Abschied (Quelle: aerzteblatt)Wer ins Detail gehen will, liest die Versorgungsprognose 2060. (Quelle: Fritz Beske Institut)