Nun tritt genau das ein, was nicht nur Experten schon seit langem befürchtet haben: Wenn der Gesetzgeber die Krankenkassen – bzw. deren die Beiträge aufbringenden Mitglieder – mit einem Federstrich um aufgebaute Finanzreserven enteignet, ist in schlechten Zeiten kein Polster mehr vorhanden und angesichts steigender Leistungsausgaben explodieren die Beiträge.
Anders als eine Beitragsexplosion kann man es nicht nennen, was in den letzten Monaten bei den Gesetzlichen Krankenkassen geschieht.
Hatten bereits zum Jahresbeginn von den 94 noch existierenden Gesetzlichen Krankenkassen (ohne die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) 45 Kassen ihre Beiträge teils deutlich erhöht, so gab es zwischen April und August weitere 22 Erhöhungen, die teils richtig drastisch ausgefallen sind.
Im April 2024
- Viactiv Krankenkasse von 1,60% auf 1,99%
- BKK Gildemeister-Seidensticker von 1,50% auf 1,99%
- Merck BKK von 1,10% auf 1,40%
- BKK Euregio von 1,25% auf 1,79%
- BKK MTU von 1,60% auf 1,90%
- BKK ZF & Partner von 1,69% auf 2,10%
- BKK Diakonie von 1,80% auf 2, 69%
- BKK Pfaff von 1,40% auf 1,80%
- BKK Pfalz von 1,98% auf 2,38%
- BKK Textilgruppe Hof von 1,30% auf 2,80%
- BKK24 von 1,89% auf 2,55%
- BMW BKK von 0,90% auf 1,30%
- Continentale BKK von 1,60% auf 2,20%
- IKK - Die Innovationskasse von 1,70% auf 2,30%
- vivida bkk von 1,70% auf 2,49%
- BKK Rieker.RICOSTA.Weisser von 2,00% auf 2,90%
- BKK Verbund Plus von 1,35% auf 1,55%
- IKK classic von 1,7% auf 2,19%
- KKH von 1,98% auf 3,28%
- Knappschaft von 2,20% auf 2,70%
- mkk meine Krankenkasse von 1,80% auf 2,50%
- Pronova BKK von 1,80% auf 2,40%
Immerhin eine Beitragssenkung kann vermeldet werden:
- Zum 01.06.2024 hat de betriebsbezogene EY BKK ihren Beitragssatz von 1,54% auf 1,04% reduziert.
Die KKH ist nunmehr die teuerste Gesetzliche Krankenkasse mit einem Gesamtbeitrag von 17,88%.
Doch was ist passiert, dass so viele Krankenkassen ihren Beitragssatz während des laufenden Jahres erhöhen mussten?
Keine Krankenkasse nimmt ohne Notwendigkeit eine Beitragserhöhung vor – dafür muss es also handfeste Gründe geben. Und diese sind die Ausgaben. Hier hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren, übrigens ganz besonders auf Veranlassung des aktuelle Gesundheitsministers Karl Lauterbach und seines Vorgängers Jens Spahn, die Zahlungspflichten für die Krankenkassen massiv in Höhe geschraubt.
Jeder Euro der von einer Sozialversicherung ausgegeben wird, muss aber auch eingenommen werden. Eine Binsenweisheit, doch sie will beachtet werden. Zwar gibt es einen ganz erheblichen „Bundeszuschuss“ aus Steuermitteln in Höhe von aktuell 14,5 Mrd. Euro, aber dieser reicht bei weitem nicht aus, die den Krankenkassen aufgebürdeten Mehrkosten zu decken. Bleiben also nur die Beiträge der Mitglieder übrig – und genau diese steigen jetzt dramatisch an.
Das Besondere: Fanden bislang die großen Beitragsanpassungen stets zum Jahrwechsel statt, kommen sie nun unterjährig zusätzlich hinzu. Warum das?
Die Gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, im Herbst eine sogenannte „Haushaltsplanung“ für das kommende Jahr zu machen – also zu kalkulieren, wieviel Ausgaben sie voraussichtlich haben werden. Das exakt zu tun ist natürlich unmöglich, daher nutzt man nach bestem Wissen und Erfahrung Näherungs- und Schätzwerte. Meist liegt man damit erstaunlich nahe an der dann eintretenden Realität. Auf Basis der kalkulierten Ausgaben und der erwarteten Mitgliederentwicklung werden dann die erforderlichen Einnahmen berechnet. Da wird es hochkompliziert aufgrund von Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, Risikostrukturausgleich, Bundeszuschüssen etc. Vereinfacht gesagt steht unter dem Strich die Berechnung des Beitragssatzes bzw. Zusatzbeitrags für das kommende Jahr.
Diese ganzen Berechnungen müssen nun von der zuständigen Aufsicht genehmigt werden und dann kann im Laufe des Dezembers der neue Beitragssatz für das kommende Jahr bekannt gegeben werden.
So erklärt sich, warum immer zum Jahreswechsel die großen Änderungen kommen. Bislang war es auch so, dass Krankenkassen in – ohnehin geringem – Rahmen Reserven bilden durften. Verantwortungsvolle Vorstände konnten also in guten Zeiten etwas zur Seite legen und wenn sich eine Haushaltsplanung für das laufende Jahr als nicht ganz den Realitäten entsprechend zeigte, konnte man Unterdeckungen leicht aus den Reserven füllen. So hielt man den Beitragssatz das Jahr über stabil.
Unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kam es aber zum großen Sündenfall der Politik: Der faktischen Enteignung der Mitglieder um die aus ihren Beiträgen gebildeten Reserven. Denn den Kassen wurden inzwischen mehrmals sowohl unter Jens Spahn (CDU) als auch unter Karl Lauterbach (SPD) mit einem einfachen Federstrich der Politik diese aufgebauten Reserven einfach genommen. Die Gelder wurden in den Gesundheitsfonds eingebracht und damit Beitragssteigerungen im gesamten System vermieden. Wer aber als Krankenkassenmitglied bewusst eine solide kalkulierende Kasse mit Rücklagenbildung gewählt hatte, durfte nun zusehen, wie die von ihm gezahlten Gelder nun anderen zu Gute kamen, die nicht so vorsichtig gewirtschaftet hatten.
Nachdem die Krankenkassen in mehreren Schritten um nahezu ihrer letzten Reserven beraubt wurden, bildet natürlich kein klar denkender Kassenvorstand noch Rücklagen. Auf gut deutsch: Die Kassen sind aufgrund der Politik „nackt“ und ein Windhauch kann sie umpusten.
Genau das geschieht gerade: Der Haushalt 2024 ist bei praktisch allen Kassen „auf Kante genäht“ und lässt keinen Spielraum für unerwartete Entwicklungen. Tritt wie im 1. Quartal 2024 aus diversen Gründen – besonders auffallend sind hier die Krankenhauskosten und die Pflegepauschalen - eine deutliche Ausgabensteigerung ein, dann hat kaum noch eine Krankenkasse die Möglichkeit, diese Mehrausgaben abzufangen. Die einzige Möglichkeit: Die Beiträge werden zeitnah erhöht. Und genau dies geschieht derzeit.
Geht es so weiter?
Damit ist zu rechnen! Der Informationsdienst www.gesetzlichekrankenkassen.de geht davon aus, dass wir 2024 noch weitere unterjährige Erhöhungen sehen werden und dann mit Jahreswechsel 2024/2025 mindestens alle Kassen, die bisher noch nicht erhöht haben, nachziehen müssen. Allein zum letzten Jahreswechsel haben 45 Kassen ihren Beitrag anpassen müssen - es ist sehr wahrscheinlich, dass viele davon nochmal weiter nach oben gehen müssen.
Nachdem die Mittel überall knapp sind, kann keinesfalls mit einer Erhöhung des Bundeszuschusses gerechnet werden. Das bedeutet sowohl für die fast 59 Mio. Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen als auch für deren Arbeitgeber höhere Abgaben und weniger Geld unter dem Strich.
Leider ist dies das vorhersehbare Ergebnis des Handels der Gesundheitsminister der letzten Jahre, vor dem Fachleute von Beginn an gewarnt haben!
Praxistipp: Was man bei einer Beitragserhöhung tun kann
Wer sich über die Beitragserhöhung seiner Krankenkasse ärgert hat die Möglichkeit, die Kasse zu wechseln. Das ist mit einer Frist von zwei vollen Monaten möglich – übrigens gilt diese Kündigungsfrist auch dann, wenn man wegen der Erhöhung sein Sonderkündigungsrecht geltend macht!
Allerdings sollte man dann nicht nur einen reinen Preisvergleich vornehmen, sondern sich auch über die gar nicht so geringen Leistungsunterschiede informieren. Genau passende freiwillige Mehrleistungen einer Krankenkasse sind ja auch ihr Geld wert.
Eine komfortable und kostenfreie Suche nach der richtigen Gesetzlichen Krankenkasse mit vielen Leistungsdetails ist auf dem Onlineportal https://www.gesetzlichekrankenkassen.de möglich.
Die Kassensuche GmbH ist Betreiberin einer der führenden Online-Plattformen zu den Gesetzlichen Krankenkassen https://www.gesetzlicheKrankenkassen.de. Mittels einer interaktiven Kassensuche unter https://www.kassensuche.de können Nutzer genau die ihren Anforderungen entsprechende Krankenkasse finden. Hintergrundinformationen zum Krankenversicherungssystem, zu gesetzlichen Leistungen, kassenindividuellen Zusatzleistungen sowie Hinweise zum Kassenwechsel mit Musterschreiben und vieles mehr sind kostenfrei abrufbar.